Der Nachrichtensender n-tv hat am 15. Mai 2003 Umfrageergebnisse von Emnid zur Sonntagsfrage veröffentlicht. Aus Kosten- und Zeitgründen kann nur ein winziger Bruchteil aller 60 Millionen Wahlberechtigten befragt werden. Emnid hat diesmal 2157 Wahlberechtigte befragt, deren Telefonnummern ausgelost wurden. Das Umfrageergebnis lautete
Union 48%, SPD 26%, Grüne 12%, FDP 6%, PDS 5%
Offensichtlich ist es nicht repräsentativ für alle Wahlberechtigten, denn es hängt es davon ab, welche 2157 Wahlberechtigte ausgelost wurden. Verschiedene Auslosungen führen zu verschiedenen Ergebnissen. Für jede Partei gibt es deshalb nicht eine Prozentzahl, sondern ein ganzes Band von möglichen Prozentzahlen. Welche Prozentzahl die richtige ist, läßt sich nicht feststellen. Für die Beurteilung des Informationswertes einer Umfrage ist es daher unerläßlich, diese Bandbreite für jede Partei zu kennen. Dies läßt sich mit Hilfe einer Computersimulation erreichen. Das Umfrageergebnis lautet dann nicht, wie in n-tv kolportiert, sondern
CDU/CSU | SPD | Bündnis90/Grüne | FDP | PDS |
44,8 - 51,2 | 22,8 - 29,2 | 10,4 - 13,6 | 4,4 - 7,6 | 3,4 - 6,6 |
(Berechnungsgrundlage: Wahlbeteiligung 80% und die Prognose soll mit einer Wahrscheinllichkeit von 95% richtig sein. Die weit größeren Fehlerquellen - wie z.B. falsche Angaben, Antwortverweigerung, erfolglose Kontaktversuche usw. - sind dabei nicht berücksichtigt.)
Die Umfrageergebnisse werden nicht von einem unbekannten n-tv-Soldaten verlesen, der noch nie etwas von Lotterieschäden bei Umfrageergebnissen gehört hat, sondern von Emnid-Chef Klaus-Peter Schöppner persönlich vorgetragen. Die mit viel Brimborium präsentierten Zahlen werden von ihm als getreues Abbild der Realität dargestellt, als hätte er persönlich mit der schweigenden Mehrheit der Wahlberechitgten gesprochen. Daß die Zahlen so gut wie nichts besagen, hat sich Emnid notariell bestätigen lassen Ein Notar zu Bielefeld wurde von Emnid beauftragt, die folgende Prognose
CDU | SPD | Bündnis90/Grüne | FDP |
42,3 - 49,2 | 32,9 - 41,1 | 5,8 - 10,2 | 5,8 - 10,2 |
Hätte Emnid-Chef Klaus-Peter Schöppner diese Fehlertoleranz auch
den n-tv-Zuschauern offenbart, dann hätte seine Prognose für den Bund
vom 25. April 2003 wie folgt gelautet:
CDU | SPD | Bündnis90/Grüne | FDP | PDS |
44,5 - 51,4 | 21,9 - 30,1 | 9,8 - 14,2 | 3,8 - 8,2 | 2,8 - 7,2 |
Als Lachnummer wäre das ein Riesenerfolg, aber als Umfrageergebnis ungenießbar:
Denn das läßt die Möglichkeit offen, daß FDP und PDS an
der 5%-Grenze scheitern und Rotgrün praktisch gleicht stark ist wie die
Union. Mit dem Eingständnis von solchen Bandbreiten bzw. Lotterieschäden
würde Emnid-Chef Klaus-Peter Schöppner die Einschaltquote Null einfahren.
Weil das nicht Sinne von Emnid ist, wird offenbar vorgezogen, dieses Geheimnis
nur mit dem wehrlosen Notar zu teilen.
Die in der gelben Tabelle angegeben Fehler, die durch die Zufallsauswahl der befragten Wahlberechtigten verursacht werden, kann man auch als Laie mit Hilfe der Mißerfolgs-Statistik von Umfragen verifizieren. Man gibt in der Input-Spalte (linke Seite der Tabelle) die von Emnid angeführten Parteistärken
CDU/CSU 48, SPD 26, FDP 6, Grüne 12 und PDS 5 Prozent
ein. Im Block oben rechts gibt man als "Anzahl der Wahlberechtigten pro Umfrage" 2157 an - soviele Wahlberechtigte wurden befragt - und setzt für die Wahlbeteiligung die üblichen 80% ein. Für die Anzahl der Umfragen (Auslosungen) wähle man zunächst 1000 - bei größeren Zahlen kann die Berechnung sehr lange dauern. Mit "LOS" wird die Simulation gestartet. In der untersten Tabellenzeile der "Mißerfolgsstatistik" kann man das Resultat der Simulation ablesen. Es zeigt sich, daß etwa
14% der Umfragen (Auslosungen) die Toleranzen von +/- 1% für die großen Parteien und +/- 0,5% für die kleinen einhalten
66% der Umfragen (Auslosungen) die Toleranzen von +/- 2% für die großen Parteien und +/- 1% für die kleinen n einhalten
93% der Umfragen (Auslosungen) die Toleranzen von +/- 3% für die großen Parteien und +/- 1,5% für die kleinen einhalten
Genauere Resultate kann man der untern angeführten Tabelle entnehmen.
Man sieht, daß etwa 95% der Umfragen (Auslosungen) die Toleranzen von
+/- 3,2% für große Parteien und +/- 1,6% für kleinen einzuhalten
vermögen. Aber 5% der Umfragen (Auslosungen) schaffen nicht einmal das.
Mit andern Worten, in jeder zwanzigsten Umfrage (Auslosung) übersteigt
der Fehler für eine große Partei +/- 3,2% oder für eine kleine
Partei +/- 1,6%
Scherzfrage: Wie viele von 100 Umfragen schaffen es, die von Emnid vermarkteten
Parteistärken (CDU/CSU 48, SPD 26, FDP 6, Grüne 12 und PDS 5 Prozent)
zu treffen?
Maximale Abweichung
|
eingehalten von | |
für große Parteien | für kleine Parteien | (in Prozent von 100000 Umfragen) |
1,0% | 0,5% | 14% |
1,2% | 0,6% | 23% |
1,4% | 0,7% | 34% |
1,6% | 0,8% | 45% |
1,8% | 0,9% | 56% |
2,0% | 1,0% | 66% |
2,2% | 1,1% | 74% |
2,4% | 1,2% | 81% |
2,6% | 1,3% | 86% |
2,8% | 1,4% | 90% |
3,0% | 1,5% | 93% |
3,2% | 1,6% | 95% |
3,4% | 1,7% | 97% |
3,6% | 1,8% | 98% |
3,8% | 1,9% | 99% |
>3,8% | >1,9% | 1% |